Tipps zur Retrospektivenplanung
Für mich persönlich ist die Retrospektive das wichtigste Meeting in Scrum. Sie gibt dem Team Gelegenheit die letzte Iteration in Ruhe Revue passieren zu lassen. Aber warum ist das eigentlich so wichtig? Inspect & Adapt heißt es doch so schön im agilen Umfeld. Aber das passiert nicht von alleine. Immer wieder begegnen mir Teams, die der Ansicht sind „Wir brauchen keine Retros, es läuft gut bei uns und wir kommunizieren auch viel untereinander“. Selbst wenn dem so ist, was toll ist, sollte man dennoch keine Retrospektive ausfallen lassen.
Schon Henry Ford wusste…
„Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.“
Wir können nicht besser werden wenn wir uns nicht die Zeit nehmen, das Vergangene zu hinterfragen. Natürlich ist die Vergangenheit nicht änderbar, aber ich kann aus ihr für die Zukunft lernen.
Als Scrum Master ist es unsere Aufgabe diesen Prozess so effektiv wie möglich zu gestalten und unsere Teams in die Lage zu versetzen, selbst die richtigen Schlüsse für die Zukunft zu ziehen.
Da steht man nun als Scrum Master und hat die Aufgabe jeden Sprint eine Retrospektive zu moderieren. Dies ist einerseits eine enorme Verantwortung die man hier trägt, andererseits bietet es einem sehr viel Spielraum und Möglichkeiten ein Team weiter nach vorne zu bringen. Und genau das fasziniert mich an Retrospektiven. Den Einfluss den man als Scrum Master auf ein Team hat sollte man nicht unterschätzen.
Als junger und unerfahrener Scrum Master war ich rückblickend an der ein oder anderen Stelle sicherlich nicht sehr geschickt bei der Gestaltung von Retrospektiven. Viele meiner Retros liefen nach folgendem Muster ab
- Was war gut?
- Was war schlecht?
- Was wollen wir nächste Iteration anders machen?
Jetzt noch schnell abstimmen und wir sind fertig.
Solche Retrospektiven können bereits eine enorme Verbesserung bei Teams bringen, welche bisher nur wenig oder gar nicht reflektieren. Um jedoch inspirierend zu wirken und High Performance Teams zu erzeugen muss moderativ mehr geleistet werden.
Folgende Dinge könnt ihr tun, um bei der Moderation von Retrospektiven besser zu werden:
- Werkzeugkoffer mit Methoden aufbauen
- Mit anderen Scrum Mastern über Methoden sprechen die ihr kennt oder ausprobieren wollt
- Bei anderen Scrum Mastern zuschauen (bitte vorher das Team fragen)
- Bücher oder Artikel zu Methoden lesen
- Euch den Retromaten als Lesezeichen speichern
- Probieren, probieren, probieren
In diesem Artikel möchte ich speziell auf den Retromaten eingehen. Ein Tool, dass mir sehr dabei geholfen hat besser zu werden. Danke Corinna Baldauf & Timon Fiddike, dass ihr den Retromaten zur Verfügung gestellt habt.
Wer Retrospektiven nach dem 5 Phasen Modell moderiert, findet hier für jede Phase (Set the Stage, Gather Data, Generate Insights, Decide what to do und Close the Retrospective) eine Auswahl an Methoden. Man kann sich diese wie beim Glücksrad zusammenwürfeln lassen. Um mal was Neues zu sehen sicher hilfreich, aber dennoch würde ich empfehlen jede Methode behutsam auszuwählen.
Folgende Fragen solltet ihr euch bei der Auswahl von Methoden stellen:
- Wie ist die Stimmung im Team?
- Ist sie gut entscheidet man sich vielleicht eher für extremere oder gewagte Methoden oder Methoden die darauf ausgerichtet sind sehr kritische Themen zu hinterfragen. Ist die Stimmung eher schlecht, bietet es sich vielleicht eher an Methoden zu wählen, die auf positive Aussagen, Dankbarkeit und Anerkennung fokussiert sind.
- Gibt es ein Thema an dem ich gezielt mit dem Team arbeiten will?
- Möchte ich als Scrum Master nochmal über Meetings und Rollen sprechen, kann die Methode Perfektion Game helfen um diese nochmal zu schärfen.
- Welche Materialien habe ich zur Verfügung?
- Der Raum und die Moderationsmaterialien für die Methode sollten natürlich verfügbar sein, klärt dies vorher ab.
- Wie viel Zeit habe ich zur Verfügung (wie groß ist das Team)?
- Manche Methoden sind sehr zeitintensiv. Achtet darauf, dass ihr die anvisierte Timebox auch einhalten könnt und wählt nicht nur extrem lange Methoden.
Wenn man diese Punkte im Hinterkopf hat, ist es mit dem Retromaten sehr angenehm sich die passenden Methoden rauszusuchen. Was mir immer wichtig ist, ist das sie zueinander passen und sich gut kombinieren lassen. Es gibt einige Methoden die sind klasse in der Generate Insights Phase, aber wenn man gerade in der Gather Data Phase eine ähnliche Methode eingesetzt hat, vielleicht nicht ideal. Manche Methoden lassen sich auch in verschiedenen Phasen einsetzen, auch hier könnt ihr experimentieren. Aber geht unbedingt die Kombinationen nochmal durch wenn ihr fertig seid mit eurer Auswahl.
Speichert euch eure Zusammenstellungen und notiert euch später was funktioniert hat und was nicht. Jede Zusammenstellung hat eine eindeutige ID. Eine meiner letzten Retros hatte die ID 114-116-50-88-60 diese kann man auf der Retromaten Webseite eingeben oder als Link teilen https://retromat.org/en/?id=114-116-50-88-60
Mit dieser Kombination an Methoden war ich zufrieden. Die Teilnehmer hatten Spaß daran ihre Mandarinen anzumalen und anschließend zu verspeisen. Dabei haben Sie reflektiert wie es Ihnen gerade geht und dies mit dem Team geteilt. Da es kurz vor Weihnachten war, fand ich das Thema Wünsche passend. Die Methoden in Phase 2 und 3 haben sich super kombinieren lassen um auszuarbeiten wie man eine positive Verbesserung überhaupt spüren würde. In Phase 4 wurden konkrete Action Items ausgearbeitet und mittels der Impediments Cup Methode stand schnell fest welche Action Items in den nächsten Sprint kommen. Methoden wie AHA setze ich gerne am Ende ein. Ich mag es wenn man die Retro mit einem Positiven Gefühl verlässt. Und was ist schöner als nochmal zu merken das man weiter gekommen ist in der letzten Iteration und Dankbarkeit auszudrücken bzw. empfangen zu können.
Holt euch unbedingt so oft ihr könnt Feedback zu euren Retrospektiven ab. Manche Teams mögen es nicht so oft neue Methoden auszuprobieren. Es kann auch vorkommen, dass Teilnehmer die Methoden als vergeudete Zeit und „Spielchen“ wahrnehmen. Seit hier wachsam und klärt solche Themen möglichst früh ab, damit auch jeder versteht warum ihr verschiedene Methoden einsetzt und was ihr damit bezweckt. Und auch bei der Retro gilt, reacting to change over following a plan. Wenn Dinge nicht so laufen wie ihr es vorher erhofft habt, tauscht lieber eine Methode aus, als sie mit aller Konsequenz durchzuziehen. Mit der Zeit werdet ihr genug Methoden im Repertoire haben um dies ad hoc tun zu können.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Konzipieren eurer nächsten Retros. Kontaktiert mich gerne bei Fragen und lasst mich wissen wenn ihr andere tolle Methoden habt um eure Retros Vorzubereiten.
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