Jedes Kind kann “sustainable pace”!
Sustainable Pace wird in vielen Projekten immer wieder diskutiert. Ich mag eine kleine persönliche Geschichte erzählen und dabei deutlich machen, welche Parallelen zwischen Sustainable Pace und einem Wandertag bestehen.
Ich war kürzlich mit meiner Frau an einer Bergkette im kleinen Schweizer Ort Lenzerheide wandern. Immer wieder kamen mir Bilder in den Sinn, die ich mit dem agilen Konzept des “Sustainable Pace” in Verbindung bringen konnte.
Was ist sustainable pace?
Sustainable Pace beschreibt die maximale Geschwindigkeit die eine Person oder ein Team auf dem Weg zum Ziel gehen kann, ohne dabei langfristig selbst Schaden zu nehmen. So schnell wie möglich und dabei gleichzeitig langfristig gesund und sicher.
Beim Wandern sind die Einflussparameter sehr klar. Rutschige Oberflächen, Höhenlage der Wanderstrecke, das Gewicht des Rucksacks, die Steilheit der Strecke und viele mehr schränken die Geschwindigkeit ein, die wir zu gehen in der Lage sind. Je steiler die Strecke, je rutschiger die Oberfläche, allgemein je unsicherer wir vorankommen, desto kleiner werden unsere Schritte, desto langsamer kommen wir voran.
Im Prozess der Produktentwicklung haben andere Störfaktoren Einfluss auf unsere Geschwindigkeit. Sich diese als Team zu Beginn der Produktentwicklungsreise zu verdeutlichen, ist wohlinvestierte Zeit. Dies kann im Rahmen einer Retrospektive oder innerhalb eines Kick-Offs stattfinden. Genau wie auf einer Wanderstrecke, bei der sich Wetter und die eigene Kondition von einer Sekunde auf die andere ändern können, kommt es auch bei der Produktentwicklung immer wieder zu Änderungen, die Geschwindigkeit des Produktteams beeinflussen. Ähnlich wie beim Wandern, wo die individuelle Geschwindigkeit jeder wandernden Person als Massstab gilt, kommt es auch in der Produktentwicklung zu individuellen Geschwindigkeiten für jedes Team und jede Person. Der Vergleich zwischen Teams bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit ist in komplexen Kontexten weder sinnvoll möglich noch sinnstiftend.
Jedes Kind kann sustainable pace
Ich weiss nicht wie oft mir meine Mama hinterhergerufen hat “Armin, mach langsam! Vorsicht!” und wie viele Momente dieser Art in kleinen Unfällen geendet sind. Für meine Eltern war ich unkontrollierbar schnell unterwegs oder habe eine lauernde Gefahr nicht gesehen. Durch Ausrutschen, Stolpern und Stürzen habe ich gelernt, meine eigene Geschwindigkeit einzuschätzen. Heute kann ich, basierend auf meinen bisherigen Wanderungen, sehr genau vorhersagen wie weit ich an einem normalen Wandertag kommen werde.
In der Produktentwicklung sind solche Lernphasen, die aus Stolpern, Rutschen und Stürzen bestehen ebenfalls notwendig. Sowohl als Team, als auch als Einzelperson muss ich Erfahrungen im aktuellen Umfeld sammeln, um für mich selbst eine nachhaltig gangbare Höchstgeschwindigkeit zu finden. Hierbei kann der ScrumMaster durch seine Beobachtungen und Reflexionsgespräche einen grossen Beitrag leisten.
Sustainable Pace ist darf sich ändern
Genau wie die Wanderer von vielen Parametern abhängig sind, die wir selbst immer wieder in Echtzeit wahrnehmen, sollten auch Teams immer wieder bewusst prüfen, ob die Umgebungsparameter die aktuelle Geschwindigkeit für alle Beteiligten möglich machen.
Gute Teams haben trotz unterschiedlicher individueller Geschwindigkeiten eine stabile Beziehung, helfen sich, achten auf Pausen und sorgen für gegenseitige Sicherheit. Diese Sicherheit zu schaffen, ist eine der essentiellen Aufgaben des Scrummasters oder des Agile Coaches. Da wir im komplexen Umfeld tätig sind, ist klar, dass diese Geschwindigkeit sich immer wieder anpassen und ändern wird, je nachdem welche Herausforderung gerade auf uns einwirkt.
Sustainable Pace darf fordern
Das soll keinesfalls bedeuten, dass ScrumMaster zum “Bremsern” werden, die darauf achten, dass niemand ins Schwitzen kommt. Eine gute Wandergruppe hat ein klares Ziel, welches durchaus fordernd sein darf. Eine sportliche Herausforderung ist für Produktteams wie Wanderer gleichermaßen gesund. Die Kunst ist zu erkennen, wann die Herausforderung zur Überforderung und damit langfristig schädlich wird.
Auch hier kommt dem ScrumMaster, durch bewusste Fragestellungen und Beobachtung der Teammitglieder eine wichtige Rolle zu. Insbesondere die Rolleninhaber des ScrumMasters arbeiten nicht direkt am Produktziel und sind dadurch die neutralen Aussenstehenden, die solche Beobachtungen machen und ansprechen müssen.
Sustainable Pace steckt in der Rolle
Die drei Rollen in Scrum, Product Owner, Developer und ScrumMaster haben jeweils eine Leitfrage zu beantworten.
- Der Product Owner klärt die Frage nach dem WAS:
- Was braucht unser Kunde?
- Was soll unser Produkt zuerst können?
- Was darf ein Feature kosten?
- Die Developer klären die Frage nach dem WIE:
- Wie können wir die Anforderungen umsetzen?
- Wie machen wir die Anwendung sicher?
- Wie betreiben wir unsere Anwendung?
- Der ScrumMaster geht der Frage nach dem “WIE SCHNELL” nach:
- Sind die Prozesse so schlank wie möglich, damit das Team vorankommt?
- Brauchen die Developer Pause, weil der letzte Sprint stressig war?
- Wie kann der PO die Developer für das neue Ziel begeistern, so dass sie wieder motiviert sind?
Es ist wichtig, dass der Product Owner schnell das Kundenbedürfnis befriedigen will. Es ist unerlässlich, dass die Developer Zeit in die handwerkliche Qualität ihrer Arbeit investieren. Es ist gut, dass der ScrumMaster zum Reflektieren und persönlichen Austausch einlädt. Alle drei Rollen im gewollten Konflikt sorgen für eine ausgewogene Teamsituation. Wenn ihr euch dafür interessiert, wie der Beitrag der jeweiligen Rolle zu dieser Balance sein kann, schaut mal in unserer Akademie vorbei. In unseren Trainings geht es genau um solche Aspekte.