Coachingfragen für Scrum Master
Scrum als Rahmenwerk für wirkungsvolle Coachingfragen
TL;DR: Der Scrum Master kann sich für die Entwicklung von Coachingfragen gut am Rahmenwerk Scrum orientieren. Wenn dir das schon reicht und du gleich Fragen einreichen möchtest, dann klicke einfach auf den Button. Für alle anderen beginnt der Artikel gleich anschließend.
Im Rahmen seiner Rolle kann ein Scrum Master sein Team, aber auch den Product Owner, Führungskräfte oder Stakeholder mit Coachingfragen unterstützen. Mit guten Coachingfragen lenken Scrum Master die Aufmerksamkeit auf wichtige Punkte und regen so zum Nachdenken an. Dadurch werden neue Erkenntnisse zutage gefördert. Die können dann im Rahmen einer Verbesserung in die Arbeitsweise des Teams integriert werden. Damit man als Scrum Master auf diese Art wirkungsvoll unterstützen kann, braucht es aber die richtige Frage zur richtigen Zeit. Und das ist nicht immer so ganz einfach.
Bevor es losgeht noch ein Hinweis: Coaching kommt nur dann zum Einsatz, wenn unser Gegenüber gerade keinen Ratschlag, keine Wissensvermittlung und keinen Erfahrungsaustausch benötigt. Wir müssen also daran glauben, dass unser Gegenüber selbst fähig ist sein Problem zu lösen, sonst ist Coaching der falsche Ansatz. Des Weiteren sollte Coaching nur auf explizite Einladung hin zum Einsatz kommen. Wenn ihr euch nicht sicher seid, dann fragt einfach mal nach. Das kann ein schöner Anlass sein, um eure Beziehung mit eurem Team aktiv zu gestalten.
Was sind überhaupt gute Coachingfragen?
Zuerst ist wichtig, dass eine Coachingfrage nicht einfach nur mit Ja oder Nein zu beantworten ist. Sonst ist das Nachdenkpotenzial der Frage eher gering. Selbst wenn ein längeres Ja oder Nein aus einer geschlossenen Frage hervorgeht, dann wird es wohl im besten Fall eine Begründung der Antwort sein. Das mag manchmal helfen, schafft aber wahrscheinlich keine neuen Erkenntnisse zu Tage. Die Antwort und deren Begründung waren wahrscheinlich schon im Kopf des Antwortenden vorhanden.
Wir brauchen also offene Fragen, die einen Raum zum Nachdenken aufspannen. Eine gute Richtlinie ist es sich an W-Fragen zu orientieren. Diese beginnen mit den Worten Was, Wann, Wer, Wozu, Wie, Wo oder Warum. Achtung allerdings bei Warum-Fragen. Die kennt ihr vielleicht von euren Kindern, falls ihr welche habt. Warum-Fragen können nicht nur nervig wirken, sondern sie können den Empfänger in eine Rechtfertigungslage bringen. Ein guter Hinweis dazu ist, dass sich eigentlich alle Warum-Fragen durch andere W-Fragen ersetzten lassen, wenn man darauf achtet.
Dann wäre da noch die Länge der Frage. Je länger eine Frage ist, desto spezifischer ist sie in der Regel. Damit wird potenziell ihre Wirkung geringer, da sie einen kleineren Raum zum Nachdenken aufspannt. Das kann beabsichtigt sein, aber wenn man zu wirklich neuen Erkenntnissen gelangen möchte, dann ist das oft hinderlich. Im Coachingeinsatz gilt also: Kürzere Fragen sind meist besser.
Starke Fragen bieten eine große Reflexionsfläche. Die erste Antwort darauf umfasst oft noch nicht alles, was aus der Frage herauszuholen ist. Deshalb kommt ergänzend die beste Coachingfrage der Welt zum Einsatz: Was noch? Und die darf gerne mehrfach wiederholt werden.
Nachdem wir die beste Frage der Welt oft genug wiederholt haben, sind wir vielleicht bei einer neuen Erkenntnis angelangt. Dann helfen noch weitere ergänzende Fragen, die darauf abzielen etwas mit dieser Erkenntnis anzufangen. So entsteht ein guter Coachingprozess.
Aber wie genau kombiniere ich Coachingfragen im Coachingprozess?
Natürlich kommen wir mit einer eröffnenden W-Frage, gefolgt von der Frage „Was noch?“ nicht immer zum Ziel. Häufig bedarf es doch etwas mehr Struktur in der Gesprächsführung, damit das Coaching wirklich funktioniert. Die folgenden Bausteine können eine Orientierung geben, welche Coachingfragen man als Scrum Master in welcher Reihenfolge stellen kann, um eine gute Gesprächsführung zu erzielen.
- Das Ziel: Zu Beginn fragen wir entweder den Klienten, was sein Thema ist, oder wählen eine Frage, die die Aufmerksamkeit auf ein wichtiges Thema lenkt.
- Die Agenda: Bevor wir tiefer in das Coaching einsteigen, ist es häufig hilfreich zu erfragen, wo der Klient denn am Ende hinkommen möchte. Welche Wirkung oder Veränderung wird angestrebt? Woran merkt der Klient diese erreicht zu haben?
- Der Fokus: Oft sprudeln aus einem Klienten eine ganze Reihe von Zielen oder angestrebte Veränderungen heraus. Dann hilft es zu erfragen, was im Moment am wichtigsten ist. Man kann ja nicht alles auf einmal bearbeiten. Dieser Schritt kann auch später im Coaching hilfreich sein.
- Der Status quo: Um ein Thema erfolgreich erforschen zu können, ist es zunächst notwendig zu beleuchten, wie denn der aktuelle Zustand ist. Wie wirkt sich dieser Zustand aus? Woran macht der Klient das fest? Wann ist das so und wann nicht? Was funktioniert schon?
- Der Tanz: Nun lassen wir uns voll auf den Tanz mit dem Klienten ein, in dem möglichst viele, hoffentlich neue Blickwinkel aufgedeckt werden, oder eine vorliegende Perspektive vertieft wird. Der Coach sollte dabei darauf achten, wann der Klient ins Grübeln gerät und nicht mehr wie aus der Pistole geschossen antwortet. Das bedeutet nämlich, dass das Gespräch sich nun nicht mehr um bereits bekanntes Wissen dreht, sondern gerade neue Gedanken entstehen. Genau an dieser Stelle muss weiter nachgehakt werden, damit das Coaching so richtig wirkt.
- Die Zusammenfassung: Wenn wir das Gefühl haben, dass der Klient neue Gedanken gewinnen konnte, dann hilft es das Gehörte noch mal in eigenen Worten zusammenzufassen. Oft kommt auch hier eine ganze Menge zusammen und es ist nötig nochmal Fokus herzustellen. Was ist hier wirklich neu oder fühlt sich besonders wichtig an?
- Die Integration: Oft hilft es an dieser Stelle, die wichtige neue Erkenntnis noch mal wirken zu lassen und sich ihrer Bedeutung klar zu werden. Was sagt dir das? Was wird dadurch möglich?
- Der Schritt nach vorn: Nun braucht der Klient noch Handlungsoptionen. Manchmal reicht schon die Frage „Wo führt dich das jetzt hin?“, um dem Klienten zum Schritt nach vorn zu verhelfen. Manchmal gibt es viele Möglichkeiten, die dann noch bewertet werden müssen. Wenn der Klient feststeckt, dann kann ein gemeinsames Brainstorming eine kreative Hilfestellung bieten. Am Ende sollte der Klient aber seine Prioritäten in jedem Fall selbst festlegen und auch selbst entscheiden, was wirklich angegangen werden soll.
- Der Wille zu handeln: Abschließend können wir dem Klienten noch helfen, den nötigen Schwung aufzusammeln, um seine neue Maßnahme wirklich anzugehen. Was brauchst du dazu? Wann willst du das angehen? Magst du mir Bescheid sagen, wenn du es getan hast?
Wer mag, kann am Ende noch nach Feedback fragen. Das soll ja manchmal durchaus helfen.
Woher weiß ich als Scrum Master, wann ich welche Coachingfragen stellen soll?
Jetzt haben wir eine Idee, wie wir gute Fragen konstruieren und kombinieren können. Bleibt noch das Problem, wie man das als Scrum Master am besten anwendet. Als Scrum Master haben wir den Vorteil, dass uns Scrum ja eine Struktur bietet, in der wir unsere Teams begleiten. Wir durchlaufen zusammen mit dem Team in einem festen Rhythmus immer wieder dieselben Events, die immer demselben Zweck dienen. Scrum bietet also gute Anhaltspunkte, um die richtige Frage zur richtigen Zeit zu finden. Eine Übersicht über Scrum und seine Bestandteile findest du beispielsweise hier in unserem Scrum Cheat-Sheet.
Im Sprint Planning können wir Fragen verwenden, die die Aufmerksamkeit des Teams auf Dinge lenken, die ihnen helfen besser zu planen. Beim Daily Scrum sind Fragen hilfreich, die dem Team helfen „on track“ zu bleiben. Für die Sprint Review eignen sich besonders Fragen, die helfen etwas über das Produkt zu lernen, was daran für den Kunden schon besonders gut ist und was in nächster Zeit noch besonderen Wert liefern würde. In der Retrospektive sind Fragen hilfreich, die uns auf Herausforderungen in der Zusammenarbeit aufmerksam machen und anregen diese zu bearbeiten. Auch hinsichtlich der Scrum Artefakte kann man hilfreiche Fragen entwickeln.
In Coaching Agile Teams von Lyssa Adkins (O’Reilly Verlag) findet man auf Seite 79 eine schöne Grafik, die man als Scrum Master als Anhaltspunkt zur Entwicklung von Coachingfragen hernehmen kann. Sie zeigt, wo der Fokus des Coachinansatzes während des Sprints liegen sollte, jeweils im Bezug auf das Coaching von einzelnen Personen und für das gesamte Team. Zum Anfang und Ende des Sprints sollte der Fokus eher auf dem Coaching des gesamten Scrum Teams liegen. Während der Sprint läuft, kann man sich dann gut auf die einzelnen Personen einlassen. Mit der Orientierung an Scrum und mit dem richtigen Fokus, kann man sich jetzt so richtig austoben.
Wir wollen eure Coachingfragen!
Damit wir eine Sammlung mit besonders guten Fragen zusammentragen können und anschließend als kleines Scrum Master Werkzeug für alle bereitstellen können, brauchen wir eure Hilfe. Wir haben eine kleine Umfrage gestaltet, die es euch ermöglicht, eure Lieblingsfragen einzureichen. Nachdem die Umfrage einige Zeit aktiv war, werden wir die besten Beiträge in einem kleinen Coaching Guide für Scrum Master veröffentlichen.
Für diejenigen, die sich fragen, wie genau das aussehen kann, hier ein paar Beispiele:
- Sprint Planning: Woran bemerken wir, dass wir das Sprint Ziel erreicht haben?
- Daily Scrum / In der Mitte des Sprints: Was ist ein Wert, den wir heute noch liefern können?
- Sprint Review: Welcher Aspekt des Produkts hat jetzt besondere Aufmerksamkeit verdient?
Und jetzt seid ihr dran! Wir freuen uns auf ganz viele coole Beiträge.
Hilfe, ich stehe auf dem Schlauch!
Trotz unseres Scrum Cheat-Sheets gerade einen kompletten Hänger? Würde eine tiefergreifende Wiederholung im Rahmen eines unserer Trainings dann vielleicht helfen? Sollte das gerade auch nicht das Richtige sein, dann besuche uns doch bei der nächsten Scrum User Group oder melde dich einfach persönlich bei uns per E-Mail. Wir nehmen uns gerne die Zeit für persönlichen Austausch!